Vier Meter durchschnittliche Wassertiefe bedeuten für den Sportschiffer kurze, steile Wellen, die sich selbst bei moderater Brise in null Komma nix aufbauen. Haff ist die Bezeichnung für eine von einer Nehrung, einer Landzunge, gänzlich abgeschlossene Meeresbucht an einer Flachküste. Das Wasser eines Haffs unterliegt durch vom Festland her einmündende Flüsse der Aussüßung, da der Anteil an Süßwasser ansteigt. Im Oderhaff beträgt der Salzanteil nur ca. 1 Prozent. Nur wenn starker Nordwind Salzwasser aus der Ostsee ins Haff drückt, steigt der Salzgehalt auf ca. 7 Prozent. Zum Vergleich, das Mittelmeer hat einen Salzgehalt von 36 bis 39 Promille, die Nordsee von 35 Promille. Auch bei geringem Salzgehalt hinterlässt Gischt und Spritzwasser eine Salzschicht auf dem Boot.

Als wir Stettin verlassen, bläst uns eine steife Brise entgegen. Die Ostsee ist nicht mehr weit. Hier muss man immer mit Wind rechnen. Ab dem Seehafen Stettin benötigt der Skipper den Sportbootführerschein See, den Küstenschein. Hier beginnt bereits die Betonnung nach Seeschifffahrtstraße. Die festen Seezeichen und die Tonnen sind teilweise befeuert. Die kleinen Leuchttürme haben Sektorenfeuer. Gut, dass sich mein Skipper damit auskennt, so kann ich mich beruhigt dem Fotografieren widmen. Viele Segelboote schwirren um uns herum. Angler dümpeln mit ihren Kähnen neben dem Fahrwasser. Ein Kümo überholt uns. Das Tragflächenboot, das Linie fährt zwischen Swinemünde und Stettin, und ein Schweizer Hotelschiff kommen uns entgegen. Das betonnte Fahrwasser führt schnurgerade nach Swinemünde, dem seeseitigen Vorhafen von Stettin. An der Wasserteilungstonne biegen wir ab in das Fahrwasser von Ziegenort. Die Hafeneinfahrt ist betonnt. Als wir an der Mole anlegen hat der Wind bereits soweit aufgefrischt, dass Schaumkronen auf den Wellen tanzen. Auch im Hafen lässt der Wind die Boote hüpfen. Es gibt hier auch einen Jachthafen mit Service. Dort liegt man allerdings auch nicht ruhiger. Nachts schläft der Wind an der See meist ein. Also brechen wir morgens schon kurz nach sieben auf. Windstärke 4 bis 6, Nord-Ost-Ost, ist angekündigt, teilt uns der polnische Hafenmeister bei der Abfahrt mit. Sorgfältig notiert er, wohin wir wollen. Ueckermünde ist unser Ziel.

Ein betonntes Nebenfahrwasser bringt die Beluga wieder ins Hauptfahrwasser zurück. Als wir den Bug hinter der Wellenbrecherinsel hervor schieben, erwarten uns Kabbelwasser und ca. 3 Bft. Wir torkeln ein bisschen, weil Wind und Wellen genau auf unsere Breitseite drücken. Die Wassertiefe würde es durchaus erlauben aus der Fahrrinne zu bleiben und die Bucht ein wenig abzukürzen, doch großflächige Stellnetze verbauen uns den Weg. Den Hafen Altwarp lassen wir an unserer Backbordseite links liegen. Bei Ostwind ab 5 Bft. Kann man da nicht mehr liegen, weil Dünung und Wellen in den Hafen rollen.

Langsam brist der Wind auf 4 Bft. Windstärke 4 heißt kleine Wellen, die aber länger werden und vereinzelte Schaumköpfe bilden. Bei Windstärke 5 wird die Brise lebhafter, die Wellen länger und höher und krönen sich mit weißen Schaumkämmen. Windstärke 6 bedeutet starker Wind, große Wellen, brechende Wellenkämme, die weiße Schaumspuren hinter sich lassen. Die gelbe Tonne ISO.4sHaff markiert die Grenze zwischen Polen und Deutschland. In der Ferne sehen wir ein Zollboot, das sich nicht um uns schert. Wir haben das Kleine Haff erreicht. 5 Windstärken lassen uns kräftig schaukeln. Um 10 Uhr erreichen wir die Mündung der Uecker. Jetzt sind die Wellen ca. 1 m hoch und es bläst kräftig. Die Segler haben ihr Tuch gerefft. Sie ist genau dieser Fluss, der der Uckermark ihren Namen gab und irgendwo an der unsichtbaren Grenze zwischen Mecklenburg und Vorpommern auf mysteriöse Weise ihren Namen von Ucker in Uecker wechselte.

Auf dem Molenkopf des Ueckerkanals steht ein gut sichtbarer Leuchtturm. Liegt in dem engen Kanalabschnitt ein Berufsschiff, darf man nicht einfahren. Das Passieren der Fahrgastschifffahrt am Ueckerkopf ist nicht möglich. Ausfahrende Schiffe haben Vorfahrt. Kurz hinter der Einfahrt erreicht man die Marina Hafendorf Ueckermünde, aber das ist uns viel zu weit von der Stadt entfernt. Wir fahren die Uecker weiter bis in den Stadthafen mitten in die Stadt. Hier sind wir sehr zentral. An diesem Wochenende finden gerade die 45. Ueckermünder Hafftage statt. Ein Volksfest entstanden aus ernstem Hintergrund, weil sich polnische und deutsche Fischer vor 45 Jahren aus Seenot retteten. Wasser und Strom gibt es an der langen Hafenmole, und auch hier ist die Liegegebühr sehr fair. Noch ein Grund mehr dieses nette kleine, mittlerweile touristisch geprägte Örtchen zu besuchen. Früher Vogel fängt den Wurm. Wieder holen wir morgens um 7 die Taue ein. So haben wir die Chance mit einer leichten Brise und nur leicht kabbeligem Wasser Richtung Peene zu schippern.

Wie ein Trichter mündet das Haff in den Peenestrom. Wir schippern die Peene bergwärts um den Amazonas des Nordens kennenzulernen. Doch das gibt eine andere Geschichte. Über den Peenestrom erreicht man das Achterwasser und letztendlich die Ostsee. Weil der Wetterbericht einen Wetterumschwung voraussagt, entschließen wir uns, den für unseren Rückweg in die Oder günstigen Ostwind zu nutzen und den Bug wieder gegen Stettin zu richten. Wir fahren gegen Wind und Wellen und das macht Beluga wenig aus. Da es die Wassertiefe erlaubt, fährt Manfred nicht im betonnten Fahrwasser. Das zwingt uns manchen Haken zu schlagen um den überall präsenten Fischernetzen auszuweichen. Der Wind dreht Richtung Süd, dann schläft er ganz ein. Die See wird glatt. Die Sonne wirft kleine funkelnde Sternchen aufs Wasser. So ist eine Seefahrt wirklich lustig. In Ziegenort machen wir noch einmal Rast. Wir müssen bunkern, Wasser und Diesel, bevor wir die Rückreise über die Oder antreten.

Das Stettiner Haff ist bereits ein Meer, wenn auch ein kleines. Und es ist genauso unberechenbar wie die See.

 

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